überdreht und erstarrt
Wenn für ein Leiden viele Begriffe existieren, ist das oft ein Hinweis darauf, wie weitverbreitet es ist und wie tief es in Individuen, Teams, Organisationen und sogar ganzen Gesellschaften verankert sein kann. Die Rede ist vom stillen Burnout, vom Hamsterrad, von Change Fatigue, vom permanenten Feuerwehrmodus oder der Aktionismusfalle.
Dieser Zustand ist geprägt von zwei scheinbar widersprüchlichen Merkmalen:
- Die Menschen sind überdreht und können nicht zur Ruhe kommen, wie ein Motor, der im Leerlauf auf Hochtouren dreht.
- Gleichzeitig sind sie erstarrt, es fehlen zündende Ideen und echte Veränderung bleibt oft aus.
Wie lässt sich dieses Dilemma beenden?
Zur Ruhe kommen
Natürlich lässt sich aus einem überdrehten und gleichzeitig erstarrten Zustand heraus kaum etwas verändern. Deshalb ist es entscheidend, zunächst zur Ruhe zu kommen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Und das aus zwei Gründen:
- Sobald etwas Ruhe einkehrt, setzt häufig ein Zustand ein, den man umgangssprachlich als „Adrenalinentzug“ bezeichnen könnte. Das Gehirn empfindet die plötzliche Stille als unangenehm und versucht, sie durch neue Aktivität zu kompensieren. Es entsteht ein beinahe unwiderstehlicher Drang, durch Aktion wieder Aufregung zu erzeugen.
- Diese Aktivität wird jedoch oft als sinnlos erlebt – was die innere Unruhe nur noch verstärkt.
Es ist daher wichtig, zu erkennen, wenn man sich in diesem „Hamsterrad“ befindet. Um bewusst auszusteigen, ist es hilfreich, die aufkommende Unruhe nicht mit den gewohnten, aufregenden Maßnahmen zu bekämpfen, sondern sukzessive mit immer weniger stressauslösenden Tätigkeiten: etwa einem Spaziergang, dem Hören von Musik oder dem Lesen eines Buches bis hin zu längeren Meditationen.
Visionen zulassen, träumen
Erst in einem Zustand innerer Ruhe kann man sich wieder dem Setzen motivierender Ziele widmen. Erlauben Sie sich zu träumen, sich Wunschvorstellungen hinzugeben, ja vielleicht sogar Visionen von sich selbst oder etwa Ihrer Firma zu entwickeln. Ganz so, wie ein Kind, das sich ausmalt, was es später einmal werden möchte.
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, sagte einst Helmut Schmidt. Lassen Sie sich von solchem Unsinn nicht entmutigen. Ohne Visionen würden wir heute noch in Höhlen leben.
Hilfreich ist es, sich auf das zu besinnen, was Ihnen wirklich wichtig ist. Gehen Sie in Gedanken Ihre wichtigsten Lebensentscheidungen durch: Was hat Sie damals motiviert? Wahrscheinlich sollte genau das auch in Ihren zukünftigen Plänen eine Rolle spielen. Integrieren Sie diese Motivation bewusst in Ihre Vorstellungen von der Zukunft.
Probleme und Reformen
Menschen sind Meister darin, Ausreden für ihren überdreht/erstarrten Zustand zu finden. Diese klingen oft sehr plausibel, etwa „keine Zeit“, „später“ oder „ich muss erst ein anderes Problem lösen“. Doch tief im Inneren wissen sie meist, dass sie sich selbst etwas vormachen. Solche „Präsentierprobleme“ beruhigen zwar kurzfristig das Gewissen, führen langfristig jedoch zu Frust und Enttäuschung.
Visionären Ideen stehen häufig handfeste Hindernisse im Weg – oft solche, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Was ist das eigentliche Problem? Stellen Sie sich einfache, kindlich-naive Fragen: Warum mache ich das nicht? Was hält mich zurück? Hinterfragen Sie sich so lange, bis Sie den wahren Kern des Problems freigelegt haben.
Verzichten Sie auf mentale Placebos und vermeiden Sie Strohfeuer. Gehen Sie das Problem an der Wurzel an. Ein gutes Coaching kann dabei helfen.
Fazit
Viele stehen heute mehr denn je unter dem Druck, ständig zu liefern, zu reagieren und zu steuern, oft im Dauerfeuer zwischen operativem Geschäft und strategischem Wandel. Der stille Burnout, das Gefühl des Getriebenseins bei gleichzeitiger innerer Lähmung, ist dabei kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Phänomen.
Gerade in verantwortungsvollen Positionen ist es entscheidend, innezuhalten. Wer zur Ruhe kommt, gewinnt Klarheit. Wer sich erlaubt zu träumen, entwickelt wieder echte Visionen – für sich selbst, das Team und die Organisation. Und wer den Mut hat, die wahren Ursachen von Blockaden zu erkennen, kann nachhaltige Veränderung anstoßen.