Wege aus der Reorganisationsfalle

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„Eine Reorganisation – wir müssen jetzt erst einmal abwarten, bis wir wieder wissen, wo es lang geht, Sie verstehen, oder?“ OK, dreimal tief durchatmen und bis 10 zählen. Klar, versteh ich! Da ist es wieder, das Schreckgespenst der Organisationsentwicklung — die REORGANISATION. Das, wenn es plötzlich auftaucht, jeden erst mal zum Stillstand bringt (Freeze!) und bei dem man am besten im Schützengraben bleibt, bis der Pulverdampf sich wieder verzogen hat. Dabei ist eine Reorganisation angesichts des steten Wandels das natürlichste der Welt, nur scheint sie in Organisationen kaum mehr etwas zu bewirken, außer vielleicht alle in einem permanenten Feuerwehrmodus zu halten.

Die Reorganisation kommt in vielen Varianten daher, angefangen mit dem Storno von Reise- und Weiterbildungskosten, weiter mit der Freisetzung von Mitarbeitern und Führungskräften bis zur flächendeckenden Neuzuordnung von Aufgaben und Entscheidungsprozessen. Nur warum hat man eigentlich die Reisen und Weiterbildungen überhaupt gebucht oder Mitarbeiter eingestellt, wenn man sie so einfach stornieren beziehungsweise entlassen kann? Verordnete Reorganisationen sind ein Eingriff in ein (nicht optimal, aber dennoch) funktionierendes Ökosystem, das, wie in der Natur auch, weitere Eingriffe erforderlich macht. Eine Reorganisation trägt schon den Keim der nächsten in sich und lässt die betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte in einem permanenten Zustand der Verunsicherung. Für die Unternehmensberatungen eine Goldgrube, für die Unternehmen das Perpetuum Mobile des Stillstands. Während der Reorganisation geht nichts mehr, danach muss man sich erst neu orientieren und wenn endlich alles wieder wie früher läuft – kommt die nächste Reorganisation. Die Reorganisation ist, langfristig gesehen, unwirksam oder sogar schädlich. Sie ist eine Notbremse, die den „Zug“ zum absoluten Stillstand bringt, eine Arznei mit schweren Nebenwirkungen. So sind Organisationen nur ein Schatten ihrer Selbst.

Ich habe es noch nie erlebt, dass Mitarbeiter, Führungskräfte und Teams nicht selbst wussten, wie sie die Ergebnisse ihrer Arbeit und ihre Zusammenarbeit verbessern können. Man muss sie nur lassen und sie mit den richtigen Fragen zur richtigen Zeit unterstützen. Es kommt zu zielgerichteten individuellen und kollektiven Erkenntnissen und es entsteht eine intrinsisch permanente Reorganisation, die zur selbstinduzierten Weiterentwicklung führt. Die ultimative Motivation in den Teams, den Führungskräften und den Mitarbeitern entsteht durch absolute Freiheit, sich im Sinne der Organisation weiterentwickeln zu dürfen. Wird diese Freiheit gewährt und die Mitarbeiter und Führungskräfte dabei begleitet, kann eine Organisation ihr wahres Potenzial entfalten. Der permanente Feuerwehrmodus ist eine Gewohnheit, die es zu durchbrechen gilt. Man muss es nur wollen.

Übrigens, auch das Gegenteil der Reorganisation, die Selbstorganisation, finde ich, ist so ein Schreckgespenst, weil sie das Management nicht erübrigt, wie viele glauben, hoffen oder fürchten, sondern es nur anspruchsvoller bis unmöglich macht. Wenn sich nämlich Menschen vollständig selbst organisieren könnten, bräuchte man keine Führungskräfte mehr. Tatsache ist, die Selbstorganisation ist genauso eine Illusion und verunsichert im gleichen Maße, wie die Reorganisation.