Was Corona der Organisationsentwicklung lehrt
Viele Organisationen sparten in der Coronakrise bei der Organisationsentwicklung (OE), beispielsweise bei Weiterbildung oder Leadership Development. Das ist verständlich, schließlich mussten sie schnell Kosten senken. Nachdenklich stimmt nur, dass die Investitionen in OE hätten ansteigen müssen. Der Mensch ist die wichtigste Ressource, gerade in einer Krise. So muss man wohl eingestehen: Wenn OE ausgerechnet dann heruntergefahren wird, wenn sie am meisten gebraucht wird, dann, und das ist die brutale Wahrheit, muss es „Verbesserungspotenzial“ geben.
Lassen Sie uns deshalb einmal radikal neu denken. Was muss die OE leisten, um in einer Krise nicht als erstes, sondern als letztes gestrichen zu werden? Vielleicht können wir sie so modifizieren, dass sie in einer Krise das Überleben sichert und nicht als Luxus angesehen wird.
Bevor wir radikal denken, denken wir zunächst einmal betriebswirtschaftlich. Um auf OE auf gar keinen Fall verzichten zu wollen, muss sie eine der lohnendsten Investitionen sein, die eine Organisation durchführt. Wenn beispielsweise eine Stunde OE im Monat, ein Vielfaches davon an Stunden Arbeits- und Kostenersparnis einbringt, und nicht nur den direkt Beteiligten, sondern mittelbar auch deren Mitarbeitern und Kollegen, dann ist die Rendite schon recht vielversprechend.
Kommt jetzt noch hinzu, dass die angestrebte Veränderung, wie weniger Konflikte, weniger Silodenken, mehr Teamgeist oder mehr Kundenzufriedenheit unmittelbar angegangen und reibungslos in den normalen Arbeitsalltag eingebettet wird, amortisiert sich die Investition sofort. Dazu bedarf es einer motivierenden direkt umsetzbaren Chance, die konkret den Konflikt löst, das Silodenken überwindet, den Teamgeist stärkt oder die Kundenzufriedenheit steigert. Ich komm gleich dazu, wie das geht.
Aber gehen wir zunächst noch einen Schritt weiter. Eine Krise zerrt an den Nerven. Energie ist kostbar. Wirklich radikal neu gedacht bedeutet: die Beteiligten gehen aus einer OE-Maßnahme erfrischt und motiviert hervor. Sie kostet keine Energie, sondern liefert. All das geht nur über Aha-Erkenntnisse. Wenn sie entstehen, wird die gefundene Lösung als Belohnung empfunden. Jede Aha-Erkenntnis, die ein aktuelles Problem löst, ist ein Erfolgserlebnis und eine Freude für die Beteiligten. Außerdem wird die Motivation, die sich ergebenden Chancen sofort umgesetzt, gleich mitgeliefert.
Die Maßnahmen werden noch vielversprechender erlebt, wenn von Anfang an alle relevanten Leistungsträger, Teams und die teamübergreifenden Strukturen einbezogen werden. Dann entsteht zusätzlich ein Gemeinschaftsgefühl.
So ausgestattet werden OE-Maßnahmen nicht als erstes, sondern als letztes in einer Krise gestrichen. Dazu muss der Coach/Berater in kurzen Sessions genau zuhören, Abstand nehmen von vordefinierten Lösungsvorschlägen, vielmehr zwischen den Zeilen lesen, die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt stellen und augenöffnendes Feedback gibt. Da spielt es übrigens keine Rolle, ob OE online oder im Präsenzmodus stattfindet.
PS: einige dieser Gedanken sind in meiner neuesten Veröffentlichung „Survival für Organisationen“ eingeflossen. Hier bei epubli erschienen.