Frauen führen anders? von Tanja Wolff

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Ich habe lange Zeit mit mir gerungen, ob die Überschrift mit einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen enden soll. Nun glaube ich, dass dies sekundär ist. Primär geht es um etwas ganz anderes. Es geht darum, wie wir es schaffen, dass Frauen in Führungsrollen eine Selbstverständlichkeit werden. Nur dann schöpfen wir aus dem gesamten Talentpool und passen uns der steigenden Zahl der weiblichen Kunden an. Es geht nicht um „political correctness“, sondern um die „competitive edge“.

Gleich nach meinem Physikstudium wurde ich mit diesem Thema konfrontiert. Können Sie sich vorstellen, wie überrascht ich war, als ich nach diesem Studium, in dem wir Frauen deutlich in der Minderheit waren – noch keine 10%, in meinem ersten Vorstellungsgespräch ausgerechnet zwei Frauen gegenüber saß? Eine leitete die medizinische Physikabteilung, die andere die Strahlentherapie. Ich bekam den Job und habe dort eine Selbstverständlichkeit bezüglich weiblicher Führungskräfte erfahren, die mir in meiner ganzen Karriere geholfen hat: Karriere ist unabhängig vom Geschlecht (ja Sie lesen richtig!) und mit Familie vereinbar. Etwas was auch heute sicher immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Wie hatten dies meine beiden Chefinnen geschafft? Sie waren Vorbilder, die ihre ganz eigene persönliche Führungsidentität entwickelt hatten. Das war für mich ungemein hilfreich. Aber eines kommt noch hinzu:

Im HBR Magazine September 2013 beschreibt Herminia Ibarra: „Eine Führungskraft zu werden erfordert viel mehr als nur eine Führungsrolle zu bekommen. Neue Fähigkeiten müssen erlernt werden und der eigene Stil muss den Anforderungen der Rolle angepasst werden. Ein fundamentaler „identity shift“ ist erforderlich. Unbeabsichtigt untergraben Organisationen diesen Prozess, wenn sie Frauen raten, aktiv Führungsrollen zu suchen, ohne sich mit den Strukturen und Strategien zu befassen, die das Missverhältnis verursachen, zwischen dem, wie Frauen gesehen werden und den Qualitäten und Erfahrungen einer Führungskraft.“

Ich stimme ihr zu, denn auch meine Role Models in meinem ersten Job konnten diese Vorbildrollen nur einnehmen, weil die Organisation sich zu Gender Balance verschrieben hatte. Es reicht nicht aus, wenn Einzelne – Frauen wie Männer, sich für Gender Balance einsetzen. Die Organisation muss bereit sein, Gender Balance als wichtigen Faktor für ihren Erfolg anzuerkennen und „top down“ ihre Strukturen und Strategien kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen.

Zu dieser Selbstverständlichkeit zu kommen, bedeutet aber für viele Firmen einen umfassenden Kulturwandel, an dem alle, Männer wie Frauen, mitwirken müssen. Firmen, die diese Eigenverantwortlichkeit annehmen, werden dann selbst zu Vorbildern.